VÖ am 18. September
A Character of Quiet
Home Recording statt Home Office: Die amerikanische Pianistin Simone Dinnerstein hat in ihrer Wohnung in Brooklyn ein neues Album mit Werken von Schubert und Glass eingespielt.
Dem ausgetretenen Pfad ist sie noch nie gefolgt: Seit Simone Dinnerstein 2007 mit ihrer selbstproduzierten Aufnahme der Goldberg-Variationen praktisch über Nacht den ersten Platz der Billboard Classic Charts erreichte, steht die amerikanische Pianistin für authentische, eigenwillige Interpretationen. Diese weckten auch die Aufmerksamkeit von Komponist Philip Glass, der kurzerhand ein Klavierkonzert für sie schrieb. Seitdem sind die beiden künstlerisch eng verbunden. Nachdem ihre Einspielung des Konzerts 2017 hohes Aufsehen erregte, verspricht auch ihr neues Album mit Werken von Glass und Schubert wieder, interessante Einblicke zu schaffen: So spielte sie als Antwort auf die Ausgangssperre und die Isolation, in der sie sich dieses Jahr wiederfand, in ihrer Wohnung in Brooklyn Schuberts Klaviersonate in B-Dur sowie drei Etüden von Philip Glass ein und ging darin Fragen nach Stille und Zeit auf den Grund. Am 18. September erscheint “A character of quiet” bei Glass‘ Label Orange Mountain Music.
Was auf den ersten Blick nach einer ungewöhnlichen Zusammenstellung zweier Komponisten aussieht, ist für Simone Dinnerstein eine natürliche Verbindung: „Glass und Schubert sind sehr unterschiedliche Komponisten, aber sie haben einige unerwartete Gemeinsamkeiten. Ich liebe ihre Fähigkeit, alles zu verändern, indem sie nur eine einzige Note in einem Akkord ändern.” Glass selber entdeckte diese Verbindung erst durch ihre Gegenüberstellung: “Er sagte, dass er mit Schuberts Musik aufgewachsen sei und gar nicht gemerkt habe, wie sehr sie sich in seine Musik eingeschlichen hat, bis er mich sie zusammen spielen hörte”, so Dinnerstein.
Und tatsächlich lassen sich sowohl in Schuberts letzter Sonate als auch in den Glass-Etüden wirbelnde, wechselnde Muster finden, kleinste harmonische Wendungen, die mit dem Zeitempfinden des Hörers spielen. Für Dinnerstein war es genau dieser Fokus auf Zeit, der sie veranlasste, aus der Isolation ein Album aufzunehmen. „Diese Askese passte zum Augenblick”, sagt Dinnerstein. “Beide erzeugen das Gefühl einer einsamen Reise, eines Gefühls der Zeit, die in Wiederholungen gefangen ist, während die Musik versucht, sich selbst zu einem Abschluss zu bringen. Das hat mich angesprochen, damit konnte ich mich identifizieren.” Nach langen Monaten ohne Musik entschied sie sich daher, dieses Gefühl nach außen zu tragen. Ihr charakteristisches Spiel mit Tempi und Zeit, das immer wieder für ausdrucksstarke, originelle Interpretationen sorgt, kommt auch hier wunderbar zur Geltung. “Meine Erfahrung mit der Pandemie war bestimmt nicht einzigartig, in dem Sinne, dass sie meine Welt dramatisch eingeschränkt hat”, sagt Dinnerstein über die Zeit. Etwas Einzigartiges hat sie mit diesem Album trotzdem geschaffen.
Simone Dinnerstein
Große Aufmerksamkeit erregte die amerikanische Pianistin zum ersten Mal 2007 mit ihrer selbstproduzierten Aufnahme von Bachs Goldberg-Variationen. Seitdem führt sie ihre rege Konzerttätigkeit durch die großen Konzertsäle der Welt, darunter Carnegie Hall, die Berliner Philharmonie und das Opernhaus Sydney. Gemeinsam mit der Choreografin Pam Tanowitz kreierte sie “New Work for Goldberg Variations”, das von Kritikern hoch gefeiert wurde. Ebenso bringt sie neue Werke zur Uraufführung, so zum Beispiel Philip Glass‘ Klavierkonzert Nr. 3, das er für sie schrieb und das von zwölf amerikanischen und kanadischen Orchestern in Auftrag gegeben wurde. Ihre zehn Alben, die sie bisher aufgenommen hat, führten allesamt die Billboard Classic Charts an. Simone Dinnerstein setzt sich für Konzerte an nicht-traditionellen Orten und für Publikum, das nicht oft klassische Musik hört, ein und spielt daher in Gefängnissen, Grundschulen und anderen ungewöhnlichen Orten. Darüber hinaus hat sie mehrere Projekte ins Leben gerufen, so zum Beispiel ihr Streichensemble Baroklyn, mit dem sie regelmäßig Konzerte gibt.
a character of quiet
VÖ am 18.09.2020
Philip Glass: Etüde Nr. 16, Nr. 6, Nr. 2
Franz Schubert: Klaviersonate in B-Dur, D 960
Teaserbild © Lisa-Marie Mazzucco