„Am Geld soll ein Konzertbesuch nicht scheitern“
Die Thüringer Bachwochen setzen für die Festivalausgabe 2023 ein flexibles Preismodell ein. Das Publikum zahlt das, was es kann.
Zuversicht – unter dieser Überschrift stehen die Thüringer Bachwochen vom 31. März bis 23. April. Sie ist weniger dramaturgischer Leitfaden als vielmehr inhaltliche Positionierung. Zuversicht benötigen wir dringender denn je in diesen Zeiten. Die Bachwochen machen es jetzt vor: Mutig übernimmt das Festival Verantwortung – für alle Musikliebhaber:innen. Als eines der ersten Musikfestivals etablieren die Bachwochen ein flexibles Preismodell. „So wichtig die Finanzen auch sind: Am Geld soll ein Konzertbesuch nicht scheitern“, sagt Festivalleiter Christoph Drescher. Es gibt einen empfohlenen Kaufbetrag – diejenigen, die sich diesen nicht leisten können, zahlen, was ihnen möglich ist. Denjenigen, denen es möglich ist, mehr zu zahlen, können anderen Musikfans als Sponsor zu einem Ticket verhelfen. Durch diese Flexibilisierung der Preisgestaltung gibt es auch keine festgelegten ermäßigten Preise etwa für Schüler:innen und Studierende. Drescher erklärt:
Mit unserem „Pay what you can"-Modell geht es nicht um den Ausverkauf der Kultur, sondern um ein Solidarprinzip: Wir möchten schlicht jedem und jeder den Zugang zu unseren Konzerten ermöglichen, setzen aber ganz darauf, dass alle, die einen angemessenen Eintritt zahlen können, dies auch tun.
Es geht auch darum, Kultur denjenigen näher zu bringen, die nicht zum klassischen Konzertpublikum gehören. Junge Leute. Menschen, die meinen, klassische Musik sage ihnen nichts. Flexibles Ticketing kann Hemmschwellen absenken. „Nach der Pandemie, jetzt erst recht!, wollen wir unsere Zielgruppen erweitern – denn es wird nicht funktionieren, dass wir uns nur um die Rückkehr der zögerlichen bisherigen Besucher:innen kümmern. Wir legen einen Fokus auf neue, jüngere Schichten.“ Das zeigt sich auch programmatisch.
Publikum datet Musik, Cello-Suiten und der Klimawandel, Musikalische Sterbebegleitung
Eines der beiden Residenzensembles 2023, das Orchester im Treppenhaus, wird zunächst am 20. April im Erfurter Kontor das Programm „Date Deine Musik“ vorstellen, bei dem das Publikum mit einer App über den Verlauf des Konzertabends mitbestimmt. Einen Tag später lädt das Ensemble in den Club Central zur „Disco“ – und beweist, dass klassische Musik tanzbar ist.
Am 14. April zeigt die Glenn-Gould-Bach-Stipendiatin der Bachwochen und der Stadt Weimar, Cellistin Tanja Tetzlaff, das Ergebnis eines langen Schaffensprozesses: Dann läuft ihr Filmprojekt mit Regisseur Stephan Aubé Suiten für eine verwundete Welt, in dem sie Bachs berühmte Cellosuiten in Beziehung zur Natur und zu Fragen des Klimawandels setzt.
Die Pianistin und Sterbebegleiterin Nina Gurol verantwortet das Education-Projekt der Bachwochen. In Eisenach arbeitet die junge Musikerin mit Schüler:innen an einem Programm zum Sterben, für das sie auch mit dem dortigen Hospiz kooperieren. Gurol will bei dem Projekt verdeutlichen, dass Musik im Angesicht des nahen Todes Zuversicht schaffen kann, eine Brücke baut.
Bach-Stars kommen nach Thüringen
Zuversicht ist das Gebot der Stunde, und das feste Vertrauen auf Erlösung, auf eine hellere Zukunft. Das findet sich programmatisch in vielen Werken Johann Sebastian Bachs. Denn selbstverständlich steht der große Komponist im Zentrum der Bachwochen. Insgesamt werden binnen drei Wochen genau 50 Konzerte stattfinden, die neben den Thüringer Musikfreund:innen wieder zahlreiche nationale und internationale Gäste anziehen werden. Auch 2023 kommen international renommierte Musiker:innen nach Thüringen. Die Bachwochen eröffnen offiziell am 1. April mit einer Aufführung von Bachs Johannespassion, interpretiert durch das Collegium Vocale Gent unter der Leitung von Philippe Herreweghe. Zu Gast sind ebenfalls Concerto Copenhagen, Ton Koopman, die Akademie für Alte Musik Berlin, Solomon’s Knot, Tenor Benedikt Kristjansson, The King’s Singers, L’Arpeggiata mit Christina Pluhar und viele andere.
Weitere Informationen und das komplette Programm finden Sie unter:
Foto: Andreas Beetz