April-Highlights an der Griechischen Nationaloper: Mahagonny und Der Untergeher

Gleich zwei deutschsprachige Klassiker stehen seit der zweiten Aprilwoche im Rampenlicht der Griechischen Nationaloper: Ektoras Lygizos hat Thomas Bernhards Roman „Der Untergeher“ in ein faszinierendes neues Musiktheaterstück verwandelt, das am 11. April auf der Alternative Stage uraufgeführt wurde. Am 12.04. startete die spannende Neuinszenierung von "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" von Kurt Weill und Berthold Brecht, dirigiert von Miltos Logiadis und inszeniert von Yannis Houvardas, in der Stavros Niarchos Hall der GNO.

Die Griechische Nationaloper zeigt ab dem 12. April 2024 Kurt Weills und Bertolt Brechts ikonische Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“. Die Neuinszenierung dieses Meisterwerks steht unter der Leitung von Miltos Logiadis und der Regie von Yannis Houvardas, mit einer hochkarätigen griechischen Besetzung. Diese Produktion wird durch einen Zuschuss der Stavros-Niarchos-Foundation (SNF) ermöglicht, um die künstlerische Reichweite der Griechischen Nationaloper zu erhöhen. Die satirische Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ basiert auf der pointierten politischen Sprache Bertolt Brechts und der expressionistischen Musik des deutschen und später US-amerikanischen Komponisten Kurt Weill. Das Werk beschreibt den Aufstieg und Fall einer Stadt, die für Profit und Vergnügen gebaut wurde, und ist eine Kritik des kapitalistischen Systems, aus der ideologischen Perspektive der Weimarer Republik.

Weill komponierte für diese Oper einige seiner bekanntesten Lieder, darunter den „Alabama Song“ und den „Benares Song“, die später von weltberühmten Interpreten – von Lotte Lenya über The Doors bis zu David Bowie – gesungen und losgelöst von der Oper neuinterpretiert wurden.

Vor dem Hintergrund des im frühen 20. Jahrhunderts üblichen Dialogs zwischen klassischer und kommerzieller Musik, experimentierte auch Kurt Weill mit verschiedenen Genres wie Jazz und Ragtime, was sich ebenso in diesem Werk zeigt.

Auch ein Jahrhundert später ist „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ im Anbetracht von globalen Krisen, Inflation und wieder aufstrebendem Rechtspopulismus immer noch erschrecken aktuell. Heute ist die Oper von Weill und Brecht weltweit eines der beliebtesten Stücke des 20. Jahrhunderts und gehört zum festen Bestandteil des Repertoires der führenden Opernhäuser und Opernfestivals auf der ganzen Welt.

Die Griechische Nationaloper hat den renommierten griechischen Theaterregisseur und ehemaligen künstlerischen Leiter des Griechischen Nationaltheaters, Yannis Houvardas, für die Leitung dieser neuen Produktion ausgewählt. Nach dem großen Erfolg seiner Inszenierung von Janáčeks „Die Makropulos-Affäre“ im Jahr 2018 kehrt Houvardas an die Griechische Nationaloper zurück, um die „goldene Stadt unserer Träume, die zu Staub zerfällt und vor unseren Augen ausgelöscht wird“, in einer politischen Lesart mit Momenten der „Verzweiflung und Verbitterung“ zu präsentieren. An seiner Seite hat Eva Manidaki das Bühnenbild, Ioanna Tsami die Kostüme, Amalia Bennett die Choreografie, Reinhard Traub die Beleuchtung und Pantelis Makkas die Videoprojektionen entworfen. Emily Louizou fungiert als stellvertretende Regisseurin und Erie Kyrgia als stellvertretende Dramaturgin.

Yannis Houvardas schreibt über seine Neuinszenierung dieser Oper von Weill und Brecht: „Machen wir uns endlich auf den Weg nach Mahagonny, der goldenen Stadt unserer Träume, die an den Ufern des Trostes liegt, weit weg vom Trubel der Welt. Hier in Mahagonny ist das Leben glorreich. Aber auch hier in Mahagonny gibt es Momente der Verzweiflung und des Überdrusses. Es ist an der Zeit, Gottes Fragen über unser sündiges Leben erdrückend zu beantworten. Das glorreiche Mahagonny zerbröckelt zu Staub und wird vor unseren Augen ausgelöscht. In der epischen, spektakulären und entschieden künstlichen Welt, die Brecht und Weill erschaffen haben, tanzt der globale Kapitalismus in den gespornten Stiefeln texanischer Pioniere, während er die langläufigen Pistolen der Revolverhelden des Wilden Westens hält. Und wenn er singt, nimmt er die Macho-Stimme von John Wayne und den zarten Atem der Mädchen an, die sich Tag und Nacht in den Saloons vergnügen.“ 

Die Produktion steht unter der Leitung des renommierten Dirigenten Miltos Logiadis und wird von berühmten griechischen Solisten wie Anna Agathonos, Christos Kechris, Tassos Apostolou, Marissia Papalexiou, Vassilis Kavayas, Yannis Kalyvas, Haris Andrianos, Yanni Yannissis und anderen geleitet.


Kurt Weill / Bertolt Brecht: Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny 

12., 14., 19., 21., 23., 25. Apr 2024, 19.30 Uhr (So 18.30 Uhr)
Stavros-Niarchos-Saal der Griechischen Nationaloper – SNFCC

Regie: Yannis Houvardas
Assoziierte Regie: Emily Louizou
Assoziierte Dramaturgie: Erie Kyrgia
Bühnenbild: Eva Manidaki (Büro Flux)
Kostüme: Ioanna Tsami
Choreografie, Bewegung: Amalia Bennett
Licht: Reinhard Traub
Video: Pantelis Makkas
Οn-Bühnenkamera: Dimitris Papadopoulos
Chorleiter: Agathangelos Georgakatos

Anna Agathonos (Leokadja Begbick)
Christos Kechris (Fatty)
Tassos Apostolou (Dreieinigkeitsmoses)
Marissia Papalexiou (Jenny Hill)
Vassilis Kavayas (Jim Mahoney)
Yannis Kalyvas (Jack / Tobby)
Haris Andrianos (Bill)
Yanni Yannissis (Joe)
Maria Mitsopoulou, Hera Zerva, Liudmila Bondarenko, Antonia Despouli, Barunka Preisinger, Magda Tzavella (Sechs Mädchen)

Miltos Logiadis, Dirigent
Mit dem Orchester der Griechischen Nationaloper 

Hauptsponsor der GNO: Stavros-Niarchos-Foundation (SNF)


 

Die Musiktheaterproduktion „Der Untergeher“, die auf dem gleichnamigen Roman des bedeutenden österreichischen Autors Thomas Bernhard basiert, wird am 11. April 2024 auf der GNO Alternative Stage im SNFCC uraufgeführt. Das Werk erweckt eine fiktive Geschichte über einen der größten Pianisten des 20. Jahrhunderts, Glenn Gould, zum Leben, adaptiert und inszeniert von dem stets künstlerisch rastlosen Regisseur, Schauspieler und Filmemacher Ektoras Lygizos.

Die Theateradaption, die auf der Übersetzung von Vassilis Tomanas basiert, verwandelt die monologische Erzählung des Originals in ein Musiktheaterstück für vier Stimmen und Klavier.

Der legendäre kanadische Pianist Glenn Gould und zwei ehemalige österreichische Klassenkameraden, die als gescheiterte Pianisten durchs Leben gingen, Bachs Goldberg-Variationen, das Foyer eines verlassenen Gasthauses in Mitteleuropa und dessen Besitzerin – all das ergibt ein seltsames „mündliches Musical“ über Genie, Besessenheit und Frustration.

Die Aufführung wird von einer Reihe hervorragender Schauspieler begleitet: Aris Balis spielt den „gescheiterten‘‘ Wertheimer, Yiannis Niarros den Glenn Gould, Amalia Moutousi die Wirtin und Ektoras Lygizos den Erzähler.

Ein Mann mittleren Alters betritt ein verlassenes Gasthaus…   

… irgendwo auf dem Lande in Österreich. Einige Tage zuvor hatte er ein Telegramm erhalten, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass sein Freund Wertheimer sein nahe gelegenes Landhaus verlassen und Selbstmord begangen habe. Während er auf die Wirtin des Gasthauses wartet, wird der anonyme Erzähler von Gedanken überwältigt, als er sich an Ereignisse und Gespräche aus seiner bedeutungsvollen Freundschaft mit Wertheimer und Glenn Gould, einem der größten Pianisten des 20. Jahrhunderts, erinnert. Achtundzwanzig Jahre zuvor, als die drei noch aufstrebende Klaviervirtuosen waren, besuchten sie eine Reihe von Kursen bei dem berühmten russischen Pianisten Vladimir Horowitz. Die Begegnung des Erzählers und Wertheimers mit Gould war überwältigend. Als sie ihn in einer Unterrichtsstunde Bachs Goldberg-Variationen spielen hören, das Stück, mit dem er berühmt wurde, beschließen sie, das Klavierspiel aufzugeben. Der Erzähler beginnt mit der Arbeit an einer Abhandlung über Glenn Gould, die er immer wieder zerreißt und umschreibt. Wertheimer hingegen hat jahrzehntelang Notizen für einen Aufsatz mit dem Titel „Der Untergeher“ gemacht. Diesen Spitznamen hatte ihm Gould zu Beginn ihrer Bekanntschaft verpasst. Nun, fast ein Jahr nach dem Tod von (dem fiktiven) Gould durch einen Schlaganfall beim Klavierspielen mit 51 Jahren und nur wenige Tage nach Wertheimers Selbstmord, trifft der Erzähler die Wirtin und ehemalige Geliebte von Wertheimer. Sie erzählt ihm von den letzten Tagen seines Freundes vor seinem Selbstmord.

Auf der komplexen Leinwand… 

… dieser fiktiven Freundschaft zwischen einem legendären kanadischen Clavichordisten (wie er sich selbst nannte) und zwei gescheiterten und verbitterten österreichischen Pianisten, zeigt sich in Bernhards erratischem Stil als eine bissige Abhandlung über Neid, Ehrgeiz, Ruhm, Genie, Perfektionismus, Besessenheit und Frustration. Durch Geschichten der Verzweiflung, begleitet von einem unendlich bissigen Humor und einer tiefen Zuneigung für alle seine verletzten Helden, scheint der Autor die gesamte Geschichte um die sich wiederholende, zirkuläre Struktur der Goldberg-Variationen aufzubauen. Auf quälende und doch köstliche Weise stellt er so die Egozentrik, die zwanghaften Ideen und die Fixierung der Figuren auf ihre unüberwindbaren Sackgassen dar. Dabei versäumt er es nicht, den moralischen Verfall des Nachkriegsösterreichs schonungslos zu kritisieren, das auch Jahrzehnte nach dem Untergang des Nationalsozialismus noch von Zynismus und Grausamkeit durchdrungen ist und nach dem Gesetz des absoluten Gewinners und der verzweifelten Verlierer funktioniert.

Der Ort, an dem die Inszenierung spielt… 

… ist, wie in der erzählerischen Gegenwart des Romans, der Vorraum eines verlassenen Gasthauses, in dem der anonyme Erzähler seinen sich wiederholenden Gedanken nachhängt, während seine beiden toten Freunde wie Geister ständig um ihn herum präsent sind und Gespräche, Aphorismen und Ereignisse aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit wiedergeben. Dieser fiktive Zustand steht neben der realistischen Darstellung der Begegnung und der Gespräche des Erzählers mit der Wirtin, während der Darsteller von Gould ständig Auszüge aus den Goldberg-Variationen vorträgt.

Das Schlüsselelement der Inszenierung… 

… ist das ständige Wechselspiel zwischen gesprochenem Dialog und Musik: Das Klavier erinnert in diesem Zusammenhang an die musikalische Begleitung einer Tanzstunde, während Bachs Motive sich mit den gesprochenen Worten verflechten und deren musikalische Qualitäten hervorheben. In Anlehnung an Goulds berühmte Angewohnheit, während des Klavierspiels die Noten zu summen, verwenden die Darsteller dieses gelegentliche Summen als zusätzliche musikalische Linie in der Gesamtpartitur der Inszenierung, die sich im Zwischenraum zwischen Prosa und Musiktheater bewegt und so ein eigentümliches „mündliches Musical“ komponiert.

Thomas Bernhard, Der Untergeher, in: ders., Werke 6, 1983 © Suhrkamp Verlag AG, Berlin 


Thomas Bernhard: Der Untergeher (Musiktheaterstück) 

Uraufführung 
11., 12., 13., 14., 18., 19., 20., 21., 24., 25., 26. April 2024, 20.30 Uhr (So 19.30 Uhr)
Alternative Stage der Griechischen Nationaloper – SNFCC

Übersetzung: Vassilis Tomanas
Theateradaption und Inszenierung: Ektoras Lygizos
Musikalischer Berater (Gesang): Kharálampos Goyós
Bühnenbild: Myrto Lambrou
Kostüme: Alkisti Mamali
Choreografie, Bewegung: Dimitris Mytilineos
Licht: Dimitris Kasimatis
Maske: Ioanna Lygizou
Tongestaltung: Brian Coon

Aris Balis (Wertheimer)
Yiannis Niarros (Glenn Gould)
Amalia Moutousi (Wirtin)
Ektoras Lygizos (Erzähler)

Hauptsponsor der GNO: Stavros-Niarchos-Foundation (SNF) 

Die Produktion „Der Untergeher“ ist Teil der Veranstaltungsreihe „Music Theatre Days“ der GNO Alternative Stage, die unter die Aktion „Festival Events of the GNO Alternative Stage 2024-2025“ fällt.  Sie ist Teil des Programms „Attika 2021-2027“ welches der „Förderung des regionalen und sozialen Zusammenhalts durch die Verbesserung der Infrastrukturen zur Unterstützung von Beschäftigung, Bildung, Gesundheitsversorgung und sozioökonomischer Eingliederung“ dient. Die Veranstaltungsreihe wird aus dem Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) und nationalen Mitteln kofinanziert.


Fotos: Giorgos Kalkanidis & Amalia Moutousi

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