»Es ist G! Bravo, und Tausend Dank!«

Am 3. November feiert der G. Henle Verlag seinen 75. Geburtstag mit einem Galakonzert um 19 Uhr im Münchner Prinzregententheater – es spielen u. a. Grigory Sokolov, Frank Peter Zimmermann und das Münchener Kammerorchester unter Christoph Poppen. Vor dem Konzert findet am selben Ort die Buchpräsentation von »75 Jahre G. Henle Verlag« statt. Das Buch von Tobias Heyl, das am 3. November im Hanser Verlag erscheint, zeichnet die Geschichte des Musikverlags und das Leben seines Gründers nach.

Es war nur ein kleines Kreuzchen vor dem G in Takt 218, das ihn schon immer störte: Warum steht hier Gis und nicht G? Yehudi Menuhin nahm die Stelle im 4. Satz von Beethovens Violinsonate op. 96 hin, wie sie überall gedruckt war. Doch nachdem der G. Henle Verlag seine Urtextausgabe der Sonate publiziert hatte, war Menuhin erlöst. Der schrieb am 28. April 1956 an Günter Henle: »Es ist G! Bravo, und Tausend Dank!« Die Verlagsgründung des G. Henle Verlags 1948 glich einem Meilenstein: Die taubenblauen Notenausgaben veränderten das Musikverlagswesen nachhaltig.

Seit nunmehr 75 Jahren erscheinen im G. Henle Verlag sogenannte Urtextausgaben. Sie basieren auf wissenschaftlich textkritischen Untersuchungen aller verfügbaren Quellen und versuchen, der Intention des Komponisten so nahe wie möglich zu kommen. Günter Henle, nicht nur Diplomat, Politiker und Unternehmer, sondern auch hochambitionierter Laien-Pianist hatte den Verlag gegründet, weil er mit den Notenausgaben seiner Zeit höchst unzufrieden war. Er schrieb: »Sie waren vielfach mit Vortragsbezeichnungen aller Art so überladen, daß manches Werk in seiner Urgestalt unter dem Gestrüpp editorischer Zutaten kaum mehr zu erkennen war.« Seine Ausgaben hingegen sollten nicht nur höchsten quellenkritischen Ansprüchen genügen, sondern auch »äußerlich in einem hübschen Gewande dem Musikfreund dargereicht werden«.

Freundschaften mit hochkarätigen Künstlerinnen und Künstlern
Bereits Verlagsgründer Günter Henle pflegte intensive Freundschaften zu Künstlern und Musikern u.a. zu Yehudi Menuhin, Rudolf Serkin und Arthur Rubinstein, und konnte viele bekannte Namen als Herausgeber von Urtextausgaben gewinnen. So übernahm beispielsweise Walter Gieseking die Herausgabe und die Einrichtung der Fingersätze für Franz Schuberts Impromptus und Moments musicaux (der erste Henle-Band überhaupt neben Mozarts Klaviersonaten), für César Francks Violinsonate A-Dur konnte 1975 Yehudi Menuhin gewonnen werden. Die Neuerscheinungen aus jüngerer Zeit zieren Künstlernamen wie Evgeny Kissin, Murray Perahia, András Schiff, Heinrich Schiff, Tabea Zimmermann und Frank Peter Zimmermann.

Heute ist der G. Henle Verlag weltweit unangefochtener Marktführer für Urtext-Ausgaben, sein Exportanteil liegt bei über 70 Prozent. Größte Märkte sind die USA, Deutschland, Frankreich, Japan und Korea. Und: Von Jahr zu Jahr lieben immer mehr chinesische Musikerinnen und Musiker die blauen Urtextausgaben. Der Katalog umfasst etwa 1 500 Ausgaben. Das mittlerweile komplett digitalisierte Lektoratsarchiv zählt rund 40 000 Quellen und ist damit eines der weltweit größten in privatem Besitz.

Im Jahr 1972 gründete Günter Henle die »Günter Henle Stiftung«, in die er den Verlag einbrachte. Die Stiftung darf keine Ausschüttungen vornehmen. Der Verlag verfügt damit über einen entsprechenden Handlungsspielraum und eine für die Zukunft gesicherte Grundlage.

Auf dem Weg in die Zukunft
So treu sich der G. Henle Verlag in Sachen Urtext-Forschung bleibt, so zukunftsgewandt richtet er sich aus. Im Bereich der Digitalisierung leistet der Verlag Pionierarbeit: Die »Henle Library App« avancierte innerhalb kürzester Zeit zum weltweit beliebtesten Programm für digitale Notenliteratur mit ca. 70 000 aktiven Nutzerinnen und Nutzern. Anfang des Jahres folgte die »Henle Masterclass«, eine Video-Tutorial-Lernplattform, auf der Klassik-Stars ausgewählte Werke unterrichten. Im März dieses Jahres fand der »Henle Open Day« statt – ein digitaler Tag des Austausches für alle Musikfreundinnen und -freunde weltweit. Auch mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie beweist der Verlag Fortschrittlichkeit: so etwa mit der Photovoltaik-Anlage auf dem Verlagsdach, die fast den gesamten Stromverbrauch des Verlagsstandortes in München deckt.

Die dritte Generation der Henle-Familie im Vorstand
Felix Henle, Vorsitzender der Günter Henle Stiftung hebt hervor: »Die Familie ist stolz auf das Lebenswerk und das geistige Erbe von Günter Henle. Sie engagiert sich bereits in der dritten Generation mit Freude im Vorstand der Stiftung, die Eigentümerin des Verlages ist. Es ist der Familie ein Anliegen, die besondere Verlagsgeschichte in einem von Dr. Tobias Heyl hervorragend geschriebenen Buch zu veröffentlichen. Ich danke von Herzen allen Musikern, die uns für das Jubiläumskonzert am 3. November zugesagt haben und auf ihre Gagen zu Gunsten der Förderung von jungen Musikern verzichten.«

Dr. Wolf-Dieter Seiffert, seit dem Jahr 2000 geschäftsführender Verlagsleiter, ergänzt: »Wenn wir heute, 75 Jahre nach der Gründung, weltweit als Musikverlag für besonders gute Noten des gesamten klassischen Kernrepertoires der Klavier- und Kammermusik bekannt sind, so verdanken wir das neben Günter Henles genialer Urtext-Idee vor allem auch dem großartigen, täglichen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Münchener Verlagshaus.«

75 Jahre G. Henle Verlag: Das muss gefeiert werden! Und zwar mit hochkarätigen Künstlerinnen und Künstlern, die dem Verlag freundschaftlich verbunden sind. Am 3. November spielen Grigory Sokolov, Frank Peter Zimmermann, Martin Helmchen, Nils Mönkemeyer, Claire Huangci, Tianwa Yang, William Youn und Julian Steckel gemeinsam mit dem Münchener Kammerorchester unter der Leitung von Christoph Poppen.

Zum Verlagsgründer Günter Henle
Geboren am 3. Februar 1899 in Würzburg, verbrachte Günter Henle seine Kindheit und Jugend in München, wo er sich schon als Jugendlicher zu einem hervorragenden Pianisten entwickelte. Nach dem Ersten Weltkrieg studierte er Jura und Volkswirtschaft. Mit 22 Jahren trat er in den diplomatischen Dienst ein und verbrachte die folgenden Jahre in Berlin, Den Haag, Buenos Aires und London. Als Gegner der nationalsozialistischen Diktatur und wegen seiner jüdischen Vorfahren sah er für sich keine Zukunft mehr als Diplomat und verließ 1936 den Auswärtigen Dienst. 1933 hatte er Anne Liese Küpper geheiratet, die Stieftochter des Großindustriellen Peter Klöckner, der ihn nun in seinem Konzern beschäftigte. Nach dessen Tod im Jahr 1940 rückte er in die Konzernspitze auf, von der ihn die Nationalsozialisten 1942 vertrieben. Die Jahre bis zum Ende des Krieges verbrachte er mit intensivem Musizieren. Weil er mit den fehlerhaften, von Herausgebern verfälschten Notenausgaben seiner Zeit unzufrieden war, gründete er 1948 den »Verlag zur Herausgabe musikalischer Urtexte«. Neben seiner Tätigkeit als Konzernchef war er von 1949 bis 1953 Abgeordneter des ersten Deutschen Bundestages. Auch später engagierte er sich in zahlreichen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Organisationen, außerdem entwickelte er immer mehr mäzenatische Aktivitäten. Günter Henle starb am 13. April 1979 in Duisburg.

Das Gala-Konzert

Freitag, 3. November, 19 Uhr
Prinzregententheater München

Werke für Klavier solo (tba)
Grigory Sokolov, Klavier

Johannes Brahms – Sonate für Klavier und Violine G-Dur op. 78
Frank Peter Zimmermann, Violine
Martin Helmchen, Klavier

Max Bruch – Romanze für Viola und Orchester F-Dur op. 85
Nils Mönkemeyer, Viola

Robert Schumann – Konzert für Klavier und Orchester a-moll op. 54
Claire Huangci, Klavier

Ludwig van Beethoven – Konzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur op. 56
Tianwa Yang, Violine
William Youn, Klavier
Julian Steckel, Violoncello

Münchener Kammerorchester
Christoph Poppen
, Leitung

Alle Künstler:innen musizieren ohne Gage. Die gesamten Ticketeinnahmen gehen an den Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. und die Deutsche Stiftung Musikleben zur Förderung junger Nachwuchsmusiker:innen.

Das Buch

Veröffentlichung »75 Jahre G. Henle Verlag« am 3. November im Hanser Verlag, München

Buchpräsentation und Gespräch mit dem Autor Dr. Tobias Heyl am Freitag, 3. November, um 18 Uhr, Restaurant „Prinzipal“ im Prinzregententheater München

 

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