Feuerwerk & Forschergeist
Neues Album von Frank Dupree, der SWR Big Band & dem SWR Symphonieorchester mit musikalischem Zündstoff von Nikolai Kapustin
Stück für Stück realisiert Pianist Frank Dupree seinen ehrgeizigen Plan, als erster Solist weltweit Nikolai Kapustins Gesamtwerk für Klavier und Orchester bzw. Big Band einzuspielen, und treibt das Projekt nun erneut mit einem Paukenschlag voran. Gemeinsam mit dem SWR Symphonieorchester und der SWR Big Band unter Dominik Beykirch präsentiert er auf seinem neuen Album unter anderem die Klavierkonzerte Nr. 2 und Nr. 6, die Weltersteinspielung der vollständigen Toccata Op. 8 und weitere Werke des in der Ukraine geborenen sowjetischen Klassik- und Jazzpioniers. Dupree taucht tiefer denn je in das Werk und die Biografie Kapustins ein, teilt seine Expertise, seine Begeisterung – und bringt dieses so besondere musikalische Erbe endlich auf die große Bühne.
Es ist ein Vorhaben in einer Größenordnung, wie man sie heute im Klassikbetrieb nicht allzu häufig sieht: eine imposante Big Band, ein ebenso imposantes Orchester, ein vielfach preisgekrönter Solist und eine Musik, die Takt um Takt ein spektakuläres Feuerwerk entfacht. Frank Dupree, die SWR Big Band, das SWR Symphonieorchester veröffentlichen am 1. November 2024 ihre Einspielung ausgewählter Kapustin-Werke bei Capriccio und haben wahrlich nicht an Höhepunkten gespart.
„Wie immer bei Kapustin kommen sowohl die Klassik- als auch die Jazzfans voll auf ihre Kosten. Kapustin bedient sich an den klassischen Formsprachen, komponiert die hochvirtuosen Stücke mit ihrem herrlichen Streichersound vollständig aus und lässt dennoch durchweg das Feuer des Jazz auflodern. Als Solist schafft man es wirklich nur mit viel Vorbereitung und Feingefühl, sich daran nicht die Finger zu verbrennen.“ (Frank Dupree)
In der Tat sind viele der Solopassagen geradezu schwindelerregend rasant komponiert, nicht zuletzt in der Toccata Op. 8, die Dupree und die SWR Big Band als Weltersteinspielung präsentieren. Dupree erzählt, warum das Werk eine Sonderstellung im Œuvre des Komponisten einnimmt:
„Kapustin komponierte die Toccata einst für das sowjetische Fernsehen; man kann noch Aufnahmen im Internet finden, in denen er sie selbst am Klavier performt. Auf unserer Suche nach Material für Orchester, Big Band und Solo-Klavier stand sie für mich ganz oben auf der Wunschliste, denn sie ist eine der wildesten Kompositionen, die ich von ihm kenne. Allerdings sah es zunächst so aus, als gäbe es keine Partitur. Im allerletzten Moment meldete sich der Schott Verlag, mit dem ich seit langer Zeit in der Causa Kapustin zusammen forsche – man habe das Manuskript gefunden. Gemeinsam mit den Kolleg*innen vom Verlag interpretierte ich dann die handgeschriebenen Noten und Notizen.“
Das Eintauchen in die Partitur habe sich unheimlich gelohnt, so Dupree:
„Es gab gleich zwei tolle Überraschungen! Denn die notierte Fassung der Toccata war unverhofft etwa doppelt so lang wie Kapustins TV-Version und enthält viele Passagen, die noch nie zuvor aufgenommen worden sind. Und dann stieß ich erstmals in meiner langwährenden Auseinandersetzung mit Kapustin auf Stellen, an denen er klar zur Jazz-Improvisation auffordert. All seine anderen Werke sind bis zum letzten Ton durchkomponiert. Das war natürlich eine tolle Gelegenheit, dem Stück hier und dort meine eigenen musikalischen Ideen hinzufügen zu dürfen.“
Das Album, auf dem alle bekannten Kapustin-Werke für die Besetzung mit Orchester, Big Band und Klaviersolist vereint sind, wartet noch mit einigen weiteren Highlights auf. Zu hören sind die Klavierkonzerte Nr. 2 und 6 mit ihrem unverkennbaren Schmiss und atemberaubenden Abwechslungsreichtum, die Nocturne, die Frank Dupree als „romantischen Ruhepol“ der Einspielung bezeichnet, die beschwingten Variations Op. 3 und die unwiderstehliche Concert Rhapsody Op. 25.
Laut Frank Dupree war es nicht zuletzt die enge Zusammenarbeit mit den musikalischen Partner*innen, die das Projekt zum Erfolg führte:
„Ich empfinde es als eine große Ehre, dass ich für das Album gleich zwei so fantastische und traditionsreiche Klangkörper gewinnen konnte. Der Austausch mit Dirigent Dominik Beykirch im Vorfeld war so eng wie fruchtbar und mit Schlagzeuger Obi Jenne und Bassist Jakob Krupp – den Mitgliedern meines Jazztrios – standen mir Musiker zur Seite, die seit geraumer Zeit zu meinen wichtigsten musikalischen Vertrauten und Mitstreitern zählen. Dementsprechend inspirierend war der gesamte Aufnahmeprozess.“
Die aktuelle Einspielung ist bereits die vierte, mit der Multiinstrumentalist und Dirigent Dupree das musikalische Erbe des 2020 verstorbenen Nikolai Kapustin aufarbeitet. Die vergangenen Aufnahmen wurden von Kritiker*innen und Publikum gleichermaßen begeistert aufgenommen. Das Gramophone Magazine bescheinigte Dupree eine „überbordende Brillanz“ für seine Aufnahme des 4. Klavierkonzerts, die von der New York Times zu einem der hörenswertesten Alben des Jahres erklärt und mit dem International Classical Music Award ausgezeichnet wurde. Die darauffolgende Kapustin-Veröffentlichung mit Arrangements für Jazztrio wurden ebenfalls von der New York Times, vom 3sat, rbb-Kultur und im arte journal empfohlen. Die zurückliegende Interpretation des Klavierkonzerts Nr. 5 in Zusammenarbeit mit Dominik Beykirch und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin war u.a. „Album der Woche“ im BR-Klassik und erhielt einen Diapason d’or.
Mit dem anstehenden Release ist Frank Duprees Kapustin-Saga allerdings noch nicht vorbei. Erst im Juli 2024 traf er den Sohn des Komponisten und konnte so erstmals ganz persönliche Einblicke in dessen Leben und Schaffen gewinnen. Ein Boxset mit allen Kapustin-Werken für Klavier ist ebenfalls bereits in Planung. Auch ist es Frank Dupree ein Herzensanliegen, Kapustins Musik nicht nur in den CD-Regalen, sondern vor allen Dingen auf den großen Bühnen der Welt ihren rechtmäßigen Ehrenplatz zu verschaffen. Im Dezember 2024 präsentiert der Pianist deshalb Kapustin-Werke an der Alten Oper Frankfurt, mit Antonio Pappano und dem London Symphony Orchestra in der englischen Hauptstadt sowie im Silvesterkonzert mit dem SWR Symphonieorchester und der SWR Big Band. Der Konzertmonat ist Teil einer bewegten Saison 2024/25 für Dupree, in der er auf Ersteinspielungen neuer Werke von HK Gruber und Christian Jost ebenso zu hören sein wird wie mit einem klassischem Konzertrepertoire von Beethoven bis Brahms, von Bartók bis Bernstein.
Kommende Konzerte
04.08.2024
Concertgebouw Amsterdam
4-5.09.2024
Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz
14.09.2024
Westfalen Classics
4-6.10.2024
Freinsheim Festival: Frank Dupree Artist in Residence
27.10.2024
Vaduz Rathausaal, Liechtenstein
5-6.11.2024
Theater Dortmund
12.12.2024
Alte Oper Frankfurt
12.12.2024
Konzerthaus Wien
18-19.12.2024
Barbican Hall, London
31.12.2024
Silvesterkonzert SWR Symphonieorchester & SWR BigBand
21.02.2025
Isarphilharmonie München
03.03.2025
Tonhalle Zürich
5-7.03.2025
hr-Sendesaal Frankfurt
Nikolai Kapustin:
Piano Concerto No. 2 & 6, Toccata, Variations, Concert Rhapsody, Nocturne
Frank Dupree (Klavier), Frank Dupree Trio,
Dominik Beykirch (Dirigent), SWR Big Band, SWR Symphonieorchester
Veröffentlichung: 01.11.2024 bei Capriccio