Fulminenter Auftakt: Raphaël Pichon und Pygmalion eröffnen „In Residence“-Reihe der Philharmonie Essen
Mit sieben inspirierten Programmen sind der französische Dirigent Raphaël Pichon und sein aus Chor und Orchester bestehendes Ensemble Pygmalion in dieser Spielzeit an der Philharmonie Essen zu Gast.
Die Musik des Barock ist nicht ohne Johann Sebastian Bach zu denken, und Bach heute eigentlich nicht mehr ohne Raphaël Pichon und sein aus Chor und Orchester bestehendes Ensemble Pygmalion. Reinhard J. Brembeck nannte den Franzosen Anfang dieses Jahres in der „Süddeutschen Zeitung“ gar den „derzeit wunderbarsten Bach-Dirigenten“. Die Begründung: „Weil er in einem kühn visionären Ansatz die strukturelle Klarheit der historischen Aufführungspraxis mit einer fulminanten Klangsinnlichkeit verbindet.“
Kein Wunder also, dass die Philharnonie Essen Pichon und sein Ensemble in dieser Spielzeit zu Künstlern „In Residence“ ernannt hat. Den Auftakt machte ein fulminantes Konzert am 23. Oktober, in dem sie gemeinsam mit der französischen Sopranistin Sabine Devieilhe Werke von Bach und Händel gegenüberstellten. Es war das erste von sieben Programmen, die sie in dieser Spielzeit in Essen vorstellen werden.
Seinen ersten Bach sang der 1984 geborene Pichon bereits im Kindesalter bei den „Petits chanteurs de Versailles“. Nach seiner musikalischen Ausbildung trat er dann zunächst als Countertenor unter Alte-Musik-Koryphäen wie Jordi Savall, Ton Koopman und Gustav Leonhardt auf. 2006 gründete Pichon sein eigenes Ensemble Pygmalion, mit dem er sich schnell einen Namen machte. Pichon und Pygmalion nehmen die Hörerinnen und Hörer mit auf faszinierende und mitreißende Klangreisen, die meist zugleich erhellende musikalische Verbindungslinien zwischen Renaissance und Romantik aufzeigen. „Mein Credo“, so sagte der impulsive Dirigent einmal, „ist recht einfach: Man muss ein Repertoire mit einem roten Faden aufbauen.“
Das kommt bei seiner Essener Residency sehr schön beim zentralen Projekt „La vie du Christ“ (Das Leben Christi) zum Ausdruck. Diese drei Konzerte über die Geburt, das Leiden und die Auferstehung Jesu lassen Hauptwerke Bachs wie einzelne Kantaten aus dem „Weihnachtsoratorium“ und seine „Johannespassion“ im Glanz weniger bekannter Musikstücke erstrahlen. Beim Antrittskonzert am Spielzeitbeginn wird es demgegenüber hochdramatisch, geht es doch um extreme barocke Affekte bei Bach und Händel. Und auch hier steht Bekannteres wie die in Auszügen erklingende Händel-Oper „Giulio Cesare“ neben Unbekannterem wie einer frühen Bach-Kantate oder Händels eindringlicher „Brockes-Passion“. Zum Totensonntag bringt Pichon mit dem „Deutschen Requiem“ ein trostspendendes Hauptwerk des Bach-Verehrers Johannes Brahms, dargeboten mit Rückbezügen auf Heinrich Schütz und Felix Mendelssohn Bartholdy. In den beiden übrigen Konzerten stellen sich die virtuosen Spielerinnen und Spieler sowie Sängerinnen und Sänger von Pygmalion getrennt vor: Da lässt das auf historisch-authentischen Instrumenten brillierende Ensemble Mozarts drei große letzte Sinfonien hintereinander wie im Sturm erleben. Die Sänger aber spannen bei „Fil d’Ariane“ einen Ariadne-Faden mit A-cappella-Chormusik von der Renaissance bis zur frühen Moderne – ein Muss für alle Fans anspruchsvoller Chormusik!
Raphaël Pichon & Pygmalion in Essen 2021/22:
23. Oktober 2021: Bach & Händel mit Sabine Devieilhe
21. November 2021: Brahms „Ein deutsches Requiem“
4./5./6. März 2022: „La Vie du Christ“ in drei Teilen „Geburt“, „Leiden“ & „Auferstehung“
20. März 2022: Mozart Späte Sinfonien
23. April 2022: „Fil d’Ariane“
Foto: Sven Lorenz