Gedenken an die Samtene Revolution

Die Tschechische Philharmonie startet eine jährliche Konzertreihe zum Gedenken an die Samtene Revolution. Auftaktkonzert am 17. November um 19:15 Uhr GMT live auf Facebook mit Smetanas „Má vlast“

Kaum ein anderes Orchester von Weltrang ist klanglich wie biografisch so tief in seiner Heimat verwurzelt wie die Tschechische Philharmonie. Um den Jahrestag der Samtenen Revolution am 17. November 1989 zu würdigen, wird das Orchester am 17. November 2020 unter der Leitung seines Chefdirigenten Semyon Bychkov im Prager Rudolfinum Smetanas „Má vlast“ zur Aufführung bringen. Der Auftritt ist der erste in einer Reihe an Konzerten, mit denen – in Kooperation mit dem Prager Frühling – jedes Jahr im November die freiheitlichen Werte der Demokratie gefeiert werden sollen. Die Konzerte werden dabei jeweils live im tschechischen Fernsehen übertragen und sind eine Woche lang u.a. auf den Facebook-Seiten des Orchesters und von Mezzo TV verfügbar.

Die sechs symphonischen Gedichte von Bedřich Smetana sind ein geschichtsträchtiges Symbol der bewegten Historie der Tschechischen Philharmonie: 1901 gab das Orchester seine erste vollständige Aufführung von „Má vlast“ in einer Brauerei in Smíchov; 1925 war „Má vlast“ das Werk, das Chefdirigent Václav Talich für die erste Live-Übertragung des Orchesters auswählte und fünf Jahre später war es das erste Werk, das das Orchester auf Schallplatte aufnahm. Während der Nazi-Besetzung, als Goebbels von der Tschechischen Philharmonie verlangte, in Berlin und Dresden aufzutreten, programmierte Talich „Má vlast“ als einen Akt des Widerstands, während Kubelík das Werk 1945 in einem Dankeskonzert für die neu befreite Tschechoslowakei dirigierte. Mit dem Abend im November 2020 erinnert die Philharmonie an die legendäre Aufführung des Werkes durch Rafael Kubelík vor 30 Jahren zur Feier der ersten freien Wahlen in der Tschecheslowakei im Juni 1990 auf dem Prager Altstädter Ring.

Semyon Bychkov, der im Oktober 2019 zum ersten Mal „Má vlast“ mit der Tschechischen Philharmonie dirigierte, reflektiert über diesen historischen Moment: „Man kann nicht mit der Aufführung von „Má vlast“ an die Samtene Revolution zu erinnern, ohne dem Mann zu gedenken, der sein Leben Smetanas Schöpfung wie auch seinem Land und seiner Musik gewidmet hat. Rafael Kubelίk hat die Tschechische Philharmonie von 1941 bis 1948 geleitet, bevor er sein Heimatland aus Protest gegen das Regime verließ. 42 Jahre später kehrte er nach der Samtenen Revolution und den ersten freien Wahlen des Landes in seine Heimat zurück und dirigierte mit seiner geliebten Tschechischen Philharmonie „Má vlast“ beim Prager Frühling Festival, das er 1946 ins Leben gerufen hatte. Die Aufzeichnung dieser Aufführung zu sehen und zu hören, war einer der unvergesslichsten Momente meines Lebens. Kubelíks Bezug zu dieser Musik, seine eigene Identifikation mit der tschechischen Nation und die Identifikation des Publikums sowohl mit der Musik als auch mit ihren Interpreten schufen eine Einheit, die man nur selten erlebt. Unsere Aufführung von „Má vlast“ am 17. November ist eine Hommage an die Samtene Revolution; an eine Nation, die ihre Freiheit schätzt, und an Rafael Kubelík, dessen Leben ein Symbol des Humanismus bleibt“.

Das Gedenkkonzert wird in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Musikfestival „Prager Frühling“ aufgeführt, das die Tschechischen Philharmonie dieses Jahr unter der Leitung von Bychkov mit „Má vlast“ eröffnen sollte.

 

Teaserbild: Petra-Hajská

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