Kapustin und Dupree – Groovende Grenzgänger

Der Pianist Frank Dupree bringt im Februar sein drittes Kapustin-Album heraus, diesmal mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, und spielt Konzerte in ganz Deutschland.

 

Nikolai Kapustin scheint Frank Dupree seine Musik auf den Leib geschrieben zu haben. Dupree liebt seine Musik: Anfang Februar kommt seine mittlerweile dritte Aufnahme von Kapustins Werken beim Label Capriccio heraus. Schon über die erste CD schrieb die New York Times, sie sei eine der „most entertaining, put-it-on-repeat recordings“. 2022 bekam Dupree für diese Aufnahme einen International Classical Music Award (ICMA) verliehen. Kein Wunder, Duprees Kapustin macht süchtig. Dupree, der ausgebildete Pianist und Dirigent, hat schnelle Finger, Groove und durchdringt musikalische Strukturen – und wenn nicht das Wichtigste: Er hat den größten Spaß an Kapustins Musik. Und das spürt man, sobald man Dupree Kapustin spielen hört. Grenzgänger zwischen Klassik und Jazz unter sich, Brüder im Geiste. Der ukrainische Komponist lässt ihn seit seiner Schulzeit nicht mehr los, da hörte er Kapustins eigene Aufnahmen zum ersten Mal.

 

Ein idealer Sparringspartner: Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

Auf der neuen CD sind das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 op. 27 zu hören, das Concerto op. 104 für 2 Klaviere und Schlagwerk sowie die Sinfonietta op. 49 für Klavier zu vier Händen. Für das Klavierkonzert steht ihm ein großer Partner zur Seite: das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB), das 2023 seinen 100. Geburtstag feiert. Es nimmt Kapustins Musik gleichzeitig so ernst und leicht wie Dupree selbst: ein idealer Sparringspartner unter der Leitung von Dominik Beykirch. Dupree sagt:

 

Ich bin überglücklich und dankbar, Kapustins 5. Klavierkonzert gemeinsam mit dem RSB aufgenommen zu haben. Das RSB ist eines der wenigen Orchester, das bereits Erfahrungen mit Kapustins Orchesterwerken gesammelt hat. Damit begegneten wir dem hochkomplexen Werk mit höchstem Respekt und waren somit bestens für die neue Einspielung gewappnet. Und Dirigent Dominik Beykirch hat das Orchester so richtig in Schwung gesetzt.

 

Kapustins Musik geht sofort in den Körper

Kapustins Musik ist besonders: Sie changiert zwischen klassischem Jazz und jazziger Klassik, Dupree nennt sie „ausgeschriebene Improvisation“: Jede einzelne Note schrieb Kapustin aus, obwohl es wirkt, als hätte er vieles den Interpret:innen überlassen. Der Körper möchte bei Kapustins Musik sofort mitwippen – doch können sich die Zuhörer:innen darauf einstellen, dass Kapustin immer wieder Rhythmus, Takt und Atmosphäre ändert. „Die Qualität seiner Kompositionen ist erstklassig,“ sagt Dupree, „trotzdem ist Kapustin immer noch ein Geheimtipp. Kapustin hat uns einen riesigen Schatz hinterlassen, den man unbedingt entdecken muss!“

Nikolai Kapustin kam 1937 in der damals zur Sowjetunion gehörenden Ostukraine auf die Welt, die bald zu einem der grauenvollen Schauplätze des Zweiten Weltkriegs wurde und die Familie zur Flucht zwang. Später ließ sich der Pianist und Komponist Kapustin in Moskau nieder. Dass die Ukraine in unserer Zeit erneut ein solches Schicksal ereilte, gehört zu den bisher schlimmsten politischen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts. Man muss in gewisser Weise froh sein, dass Kapustin den brutalen Überfall seiner Wahlheimat auf das Land seiner Herkunft, nicht mehr erlebt hat. Er starb im Sommer 2020.

 

Konzerte als klassischer Pianist, Dirigent und Jazzer in ganz Deutschland

2023 tritt der 1991 geborene Dupree an vielen Orten Deutschlands u. a. mit dem 4. Klavierkonzert auf – etwa mit den Münchner Symphonikern unter Joseph Bastian –, das Teil seines ersten Kapustin-Albums mit dem Württembergischen Kammerorchester war. Doch damit nicht genug. Dupree lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Denn er dirigiert auch, einerseits stehend vor dem Orchester (2023 z. B. das Orchestre Philharmonique de Liège und die Stuttgarter Philharmoniker), andererseits sitzend vom Klavier aus (2023 z. B. das Saarländische Staatsorchester und die Dortmunder Philharmoniker). Auch damit nicht genug. Mit seinem Frank Dupree Trio (Obi Jenne, Schlagzeug & Jakob Krupp, Bass) spielt er genauso Konzerte, im kommenden Jahr zum Beispiel bei den Festspielen in Mecklenburg-Vorpommern. Dabei auch hier immer im Gepäck: Kapustins Werke. Klar.

Einen Einblick in das dritte Kapustin-Album von Frank Dupree gibt der Trailer, der bei YouTube zu finden ist.

 

 

 

Konzerttermine 2023

5. Januar – Heilbronn – Württembergisches Kammerorchester (Trio)
11./12./13./15. Januar – Liège (BEL) – Orchestre Phliharmonique Royal de Liège (Dirigent)
22. Januar – München – Münchner Symphoniker (Klavier)

5. Februar – Chemnitz – Frank Dupree Trio
8./9. Februar – Chemnitz – Robert Schumann Philharmonie (Klavier)
12. Februar – Aschaffenburg – Simon Höfele & Frank Dupree Trio

7./8. März – Dortmund – Dortmunder Philharmoniker (Dirigent)
19. März – Kempten – Münchner Symphoniker (Klavier)
26. März – Saarbrücken – Saarländisches SO (Dirigent / Klavier)

19. April – München – Münchner Symphoniker (Klavier)
28./29./30. April – Stuttgart – Stuttgarter Philharmoniker (Dirigent)

17. Mai – Heilbronn – WKO (Dirigent / Klavier)

10. Juni – Essen – Essener Philharmoniker (Klavier)

2. Jahreshälfte 2023:
21. Juli – Festspiele MV – Frank Dupree Trio
9./10. August – Festspiele MV – Junge Norddeutsche Philharmonie (Klavier)
11.-13. August – Detect Classic Festival – Junge Norddeutsche Philharmonie (Klavier)
2. September – Wuppertal Open-Air – Wuppertaler Symphoniker (Trio)
14. Oktober – Hannover – NDR Radiophilharmonie (Klavier)

Foto: Marco Borggreve
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