Raffiniert und vielschichtig: Chopins Etüden und Scherzi
Am 24. September veröffentlicht Beatrice Rana auf Warner Classics ihr neues Album mit Chopins Etüden op. 25 und 4 Scherzi – für deren Interpretation sie laut der New York Times in Konzerten bereits „neue Standards setzte“: „Sie ließ die Stücke so poetisch und farbenreich klingen wie alles, was Chopin je geschrieben hat.“
Nachdem Rana bereits mit ihren letzten Alben (zuletzt Ravel & Strawinsky 2019 und die Goldberg-Variationen 2017) hohe Aufmerksamkeit erregt hatte, widmet sich die Pianistin sich auf dem kommenden Album ganz dem polnischen Komponisten – für den sie schon lange eine Faszination hegt: „Er ist ein Revolutionär, sowohl im Klaviersatz als auch in der Harmonie und der formalen Anlage seiner Kompositionen“, so Rana. „Chopin hat es geschafft, die italienische Gesangstradition für das Klavier umzusetzen.“ Für die vielseitige Italienerin, die in ihrer Heimatstadt Lecce ihr eigenes Kammermusikfestival „Classiche Forme“ ins Leben gerufen hat, ist Chopin damit besonders interessant.
Mit den Etüden und Scherzi legt Rana ihren Fokus auf zwei musikalische Standard-Gattungen, die Chopin mit seinem Farb- und Ausdrucksreichtum in etwas völlig Neues verwandelte. „Oberflächlich betrachtet, erscheint Chopin als „einfacher“ Komponist, aber in Wirklichkeit ist seine Einfachheit raffiniert und vielschichtig“, so Rana. „Wie bei einem Oxymoron entsprechen die emotionalen Zustände seiner Musik möglicherweise nicht dem, was von Pianisten gefordert wird. Bei Chopin gibt es musikalisch entspannte Momente, die jedoch eine hohe Muskelspannung seitens des Interpreten erfordern. Einige Passagen der Scherzi drücken einen Zustand der Verlassenheit aus, doch im Gegensatz dazu darf sich der Interpret niemals gehen lassen: Er muss seine physische und psychophysische Präsenz bei der Annäherung an das Stück sogar verdoppeln. Es ist, als ob einige Stücke gegen den pianistischen Instinkt verstoßen und den Interpreten in große Schwierigkeiten bringen.“
In Chopins Etüden op. 25 durchschreitet Beatrice Rana dabei ein weites Klang-Universum, in dem das Klavier eine geradezu orchestrale Rolle einnimmt. Für die Pianistin geht es darin vor allem um einen größeren Zusammenhang: „Die Stücke sind durch eine einzige Ausdruckslinie miteinander verbunden. Es ist wie eine Reise. Die erste Etüde ist sanglich, poetisch und angenehm. Dann intensiviert sich die Dramatik allmählich und der Fortgang wird immer emotionaler. Die ersten sechs Etüden entwickeln sich im Rahmen eines so genannten „Mezzotinto“, während die siebte langsam und ausdrucksstark ist und die linke Hand quasi zu einem Violoncello verwandelt wird, das Vorrang vor dem „klassischen Cantabile“ der rechten Hand hat. Im letzten Teil werden die Dimensionen und die Dynamik der Etüden erweitert, bis zu den forte- und fortissimo-Anweisungen der letzten Etüden. Nr. 10, 11 und 12 bilden ein Schlusstriptychon und sind emotional streng, als ob sie den verzweifelten Schrei von Chopin widerspiegeln.“
Die Scherzi dagegen sind statt von einer einzigen Ausdruckslinie durch reichhaltige Wiederholungen charakterisiert: „Für Chopin sind diese voller expressiver Implikationen und kommen niemals einer sterilen, rein formalen oder identischen Wiederholung gleich“, sagt die Pianistin. „Im Gegenteil: Es ist wunderbar, wie Chopin in seinen eigentümlichen Wiederholungen immer wieder neue Dinge ausdrücken kann.“
Ranas steile Karriere begann 2011, als die damals 18-Jährige alle Preise bei der Montreal International Competition abräumte. Seither spielt sie auf den großen Bühnen der Welt: u.a. bei den BBC Proms, der Philharmonie Berlin, der Londoner Wigmore Hall und Royal Albert Hall, der New Yorker Carnegie Hall sowie Lincoln Center, dem Gasteig München, dem Wiener Konzerthaus, Verbier Festival, dem Klavier-Festival Ruhr sowie in der renommierten Meisterpianisten-Serie des Amsterdamer Concertgebouws. 2017 rief die vielseitige Pianistin ihr eigenes Kammermusikfestival „Classiche Forme“ in ihrer Heimatstadt Lecce ins Leben. Bei Warner Classics hat Beatrice Rana in den letzten Jahren u.a. Klavierkonzerte von Prokofiev und Tschaikovsky sowie Bachs Goldbergvariationen und Werke von Stravinsky und Ravel erschienen.
Kommende Konzerttermine in Deutschland:
- September: Festival der Nationen Bad Wörishofen Beethoven Klavierkonzert Nr. 5
- Dezember: Liederhalle Stuttgart Werke von Chopin und Stravinsky
- Dezember: Herkulessaal München Werke von Chopin und Stravinsky
- Dezember: Kölner Philharmonie Werke von Chopin und Stravinsky
Foto © Simon Fowler / Warner Classics