Musik und Social Impact: Musethica bereitet Nachwuchsmusiker*innen ungewöhnliche Bühnen in sozialen Einrichtungen

Im Ausbildungsprogramm der internationalen Initiative Musethica werden junge Musiktalente zu Brückenbauer*innen: In zwölf Ländern begeistern sie im Rahmen von Konzerten in sozialen Einrichtungen Menschen für klassische Musik und lernen dabei, ihr Publikum zu inspirieren und ihren Klang zu verfeinern. In Berlin finden im August und September 2022 die nächsten Veranstaltungen statt; auch Jubiläumsfeierlichkeiten sind in Planung.

Mit der Musik das Publikum wirklich zu erreichen, es zu bewegen und mit ihm in den Dialog zu treten ist die hohe Kunst des Konzertespielens – und eine, die bei allem Talent nur durch viel Erfahrung erlernt werden kann. Die Initiative Musethica hat deshalb eine Ausbildungsmethode entwickelt, die in Deutschland, Spanien, Frankreich, Israel, Polen, China, Österreich, Finnland, Holland, Schweden, Norwegen und Litauen jungen Spitzentalenten die Möglichkeit bietet, das im Studium Erlernte live in die Praxis umzusetzen.

Ihr habt uns für kurze Zeit befreit; wir fühlten uns wie in einer anderen Welt.

Das Musethica-Prinzip ist so einfach wie effizient: Ein internationales Fachkomitee wählt aus Bewerber*innen aus der ganzen Welt die vielversprechendsten Teilnehmenden aus. Diese erarbeiten mit renommierten Tutor*innen
– unter ihnen namhafte Solist*innen wie Eckart Runge und Alena Baeva – in Meisterklassen und Workshops anspruchsvolle Kammermusikprogramme. Anschließend wird das Repertoire innerhalb der einwöchigen Projektphase live präsentiert. Die Musiker*innen spielen in dem kurzen Zeitraum mehr als zehn Konzerte in sozialen Einrichtungen sowie an öffentlichen Orten. Mindestens 85% der Veranstaltungen, so sieht es die Musethica- Methode vor, finden in unkonventionellem Rahmen statt: Die Teilnehmenden spielen für Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen, für Geflüchtete und Obdachlose, Gefangene und Senior*innen, in Schulen, Kindergärten, Nachbarschaftszentren, Krankenhäusern, Hospizen, Frauenhäusern und auf vielen weiteren besonderen Bühnen.

Auf diese Weise entsteht eine einzigartige Wechselwirkung. Jenseits des von Wettbewerb geprägten Hochschulalltags gelingt es den Musiker*innen in unmittelbarer Resonanz mit dem Publikum, ihr Konzentrationsvermögen, ihre Leistungsfähigkeit zu steigern, voneinander zu lernen und sich selbst zu hören. Zugleich erhalten bei den Veranstaltungen Menschen Zugang zu klassischer Musik, die diesen unter anderen Umständen vielleicht nicht fänden – der Eintritt zu allen Musethica-Konzerten ist kostenlos. Ausnahme bilden teilweise Abschlusskonzerte, die in öffentlichen Konzerthäusern stattfinden.

Dass das Prinzip hervorragend funktioniert, ist bereits gut erforscht. Das INTERHES (Interdisciplinary Institute on Human Ecology and Sustainability) in Spanien evaluierte über mehrere Jahre hinweg die Musethica-Methode und kam zu überaus positiven Ergebnissen: Es sei evident, dass das Programm nicht nur die musikalischen Fähigkeiten der Teilnehmenden stärke, ihre transnationale Mobilität erhöhe und ihr Engagement im interkulturellen Dialog fördere, sondern auch für die jeweilige Region neue Synergien zwischen klassischer Musik, Sozialdiensten und Ausbildungszentren schaffe.


Musethica ist in 12 Ländern aktiv.

2021 fanden 114 Konzerte in Deutschland mit 2432 Zuhörer*innen statt.

Mindestens 85% der Veranstaltungen finden in unkonventionellem Rahmen statt.

62 Tutor*innen aus 16 Ländern leiten die Musiker*innen an.

2021 gingen 169 Musiker*innen- Bewerbungen bei Musethica Deutschland ein.


Auch die Zuhörer*innen und Partnerinstitutionen zeigen sich immer wieder begeistert. „Zu erleben, dass belastete und beschämte Menschen Zugang zu ihren Gefühlen finden, sich lebendig fühlen und wertvoll genug, dass Musiker*innen aus allen Ländern der Welt zu ihnen kommen, um für sie zu spielen, ist eine große Freude,“ so Sabine Hüdepohl, Leiterin der JVA für Frauen in der Berliner Neuwedellerstraße. Axel Frank, Stationspflegeleiter in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie & Psychosomatik im Vivantes Klinikum Kaulsdorf, berichtet:

Wir sind äußerst dankbar, wieder von den engagierten Musikern des Projektes Musethica besucht worden zu sein, und unseren Patient*innen inmitten dieser schwierigen Zeit ein so schönes kulturelles Erlebnis bieten zu können, dessen therapeutischer Effekt nicht hoch genug geschätzt werden kann. Ein Patient (mit chronischer Psychose), mit dem ich hinterher darüber sprach, war so berührt, dass er meinte, er sei ganz erstaunt über sich selbst gewesen. Bislang habe er immer nur laute, aggressive Musik gehört. Aber beim gestrigen Zuhören habe er gemerkt, wie sich so schöne Gefühle in ihm entwickeln konnten und er dies eigentlich viel öfter machen möchte. Es sei etwas für die Seele gewesen.

Ein übergeordnetes Ziel liegt darin, das Musethica-Prinzip fest im Stundenplan von Musikhochschulen zu verankern und somit möglichst vielen Studierenden die Vorteile der Methode zu verschaffen. Dies wird im Rahmen einer Kooperation mit der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien bereits erfolgreich umgesetzt. Die Qualität der Darbietungen steht bei allen Angeboten Musethicas im absoluten Zentrum. So wird bei der Auswahl der Programme höchste Priorität auf den Anspruch gelegt: Anstelle leicht bekömmlicher Gassenhauer werden immer wieder auch Stücke präsentiert, die Zuhörer*innen und Musiker*innen Konzentration und eigene Deutungsansätze abverlangen. Das Publikum ernst zu nehmen und es – losgelöst von seinem sozialen und gesundheitlichen Hintergrund – nicht zu unterschätzen gehört zu den Grundsätzen des Musethica-Prinzips. Hierauf verweist auch Bratschist Avri Levitan, Mitbegründer und Künstlerischer Leiter von Musethica:

Die Erfahrung der Konzerte, die wir gegeben haben, bestätigt, dass klassische Musik eine Form des Ausdrucks und der Kommunikation zwischen Menschen ist, die es uns auf natürliche Weise ermöglicht, Momente der Inspiration und Schönheit zu schaffen. Das Repertoire der Konzerte in den sozialen Einrichtungen ist das gleiche wie in den spezialisierten klassischen Musiksälen, und das Publikum in den verschiedenen Zentren, in denen die Konzerte stattgefunden haben, ist besonders aufnahmefähig und sehr anspruchsvoll.

Wer sich selbst ein Bild von Musethica machen möchte, erhält in den kommenden Monaten in Berlin die Möglichkeit: Vom 29. August – 03. September findet in Berlin Musethicas Internationales Kammermusikfestival mit mehr als 25 Konzerten in Schulen, Werkstätten, Kliniken und anderen Orten statt. Auch sind weitere Musethica Sessions für September, November und Dezember geplant. Darüber hinaus bietet das Jahr 2022 einen großen Anlass zum Feiern, denn das zehnjährige Gründungsjubiläum Musethicas steht an. Jubiläumsveranstaltungen werden im November und Dezember in Spanien stattfinden.

 


Kommende Musethica Sessions in Berlin:

10.09. – 16.09.2022:
Musethica Session mit Tutor Eckhart Runge

19.11. – 26.11.2022:
Musethica Session mit Tutorin Avri Levitan

10.12. – 17.12.2022:
Musethica Session mit Tutor Martin Spangenberg (zum ersten Mal mit einem Sextett aus Bläsern)

Internationales Kammermusikfestival Berlin

Montag, 29.08.2022

10:00 Uhr Kita, Evangelisches Johannesstift
10:00 Uhr Theodor-Fliedner-Haus, Evangelisches Johannesstift
11:30 Uhr die Macherei 1, Evangelisches Johannesstift
11:30 Uhr die Macherei 2+DiaLOG-IN, Evangelisches Johannesstift
14:00 Uhr Caroline-Bertheau-Haus, Evangelisches Johannesstift
14:00 Uhr Tagesklinik Wichernkrankenhaus, Evangelisches Johannesstift

Dienstag, 30.08.2022
10:00 Uhr Nils-Holgersson-Schule
11:00 Uhr Nils-Holgersson-Schule
16:00 Uhr Justizvollzugsanstalt für Frauen

10:00 Uhr Helene-Haeusler-Schule
11:00 Uhr Helene-Haeusler-Schule
15:30 Uhr Senterra Pflegezentrum

Mittwoch, 31.08.2022
10:00 Uhr DRK Klinik Jugend/Kinderpsychatrie
11:00 Uhr DRK Klinik Jugend/Kinderpsychatrie

10:00 Uhr Mosaik Paul Lincke Ufer, Werkstätten
11:00 Uhr Mosaik Paul Lincke Ufer, Werkstätten

Donnerstag, 01.09.2022
10:00 Uhr Vivantes Klinikum Kaulsdorf – Klinik für Psychiatrie
11:00 Uhr Vivantes Klinikum Kaulsdorf – Klinik für Psychiatrie

10:00 Uhr Gustav-Meyer-Schule
11:00 Uhr Gustav-Meyer-Schule
14:30 Uhr FSD 24/7 Notunterkunft für Frauen

20:00 Uhr Barkonzert Yorckschlösschen, Yorckstraße 15, 10965 Berlin-Kreuzberg

Freitag, 02.09.2022
10:00 Uhr cooperative Mensch, Kienhorststrasse 50 , 13403 Berlin-Reinickendorf
12:30 Uhr Gangway Berlin e.V., Buttmannstr. 16, 13357 Berlin-Wedding

10:00 Uhr Pestalozzi-Fröbel-Haus
11:00 Uhr Pestalozzi-Fröbel-Haus

20:00 Uhr Abschlusskonzert St. Elisabeth-Kirche, Invalidenstraße 3, 10115 Berlin-Mitte

Samstag, 03.09.2022
20:00 Uhr Abschlusskonzert St. Elisabeth-Kirche, Invalidenstraße 3, 10115 Berlin-Mitte

PROGRAMM

Tutor*innen:
Alena Baeva – Violine
Roi Shiloah – Violine
Avri Levitan – Viola
Marc Coppey – Cello

Musiker*innen:
Violinen
Krystof Kohout
Vika Gelman
Quentin Routier
Sławomira Wilga

Violas
Ami-Louise Johnsson
Jaume Ángeles Fité
Sedna Heitzman

Celli
Mateusz Błaszczak
Alejandro Gomez
Adi Varon

Repertoire:
Prokofiev – Sonate für zwei Violinen op. 56
Bruch – Streichoktett B-Dur
A. Schoenberg – Verklärte Nacht

J. Brahms: Streichsextett Nr. 1 B-Dur, op. 18
F. Mendelssohn – Oktett Es-Dur, op. 20

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