François-Xavier Roth und Les Siècles
Subtil und glanzvoll
Seit François-Xavier Roth 2003 mit Musikern aus seiner französischen Heimat das Originalklang-Ensemble Les Siècles gründete, setzen Dirigent und Orchester mit ihrem differenzierten, unverwechselbaren Klang ein Zeichen. Während sich in den meisten Orchestern weltweit die Nutzung von modernen Instrumenten für das Repertoire verschiedener Jahrhunderte durchgesetzt hat, schaffen Roth und sein Ensemble mit der konsequenten Verwendung von historischen Instrumenten einen neuen Zugang zu Werken aller Epochen. Eine völlig neue Interpretation legen sie jetzt auch von Maurice Ravels La Valse sowie seiner Orchestrierung von Mussorgskys Bilder einer Ausstellung vor. Die Veröffentlichung ist die dritte in einem Ravel-Zyklus, den Roth seit 2017 mit Les Siècles bei harmonia mundi einspielt. Für seinen Landsmann, einem der innovativsten Komponisten seiner Generation, hegt François-Xavier Roth schon lange eine Faszination. Keine Frage also, dass Roth und Les Siècles auch in dieser Aufnahme Ravels vielschichtigen, farbenreichen Partituren durch ihre authentische Herangehensweise und ihren sinnlichen, dynamischen und doch jederzeit transparenten Klang gerecht werden.
Niedergang einer ganzen Welt
Statt leicht beschwingten Wiener Walzerlaunen schuf Ravel mit La Valse „eine Art Apotheose des Wiener Walzers“, überschattet von den Eindrücken des Ersten Weltkriegs. Während Anklänge des Verwandten durchaus noch zu erkennen sind – der wogende Walzerrhythmus wie auch manche Melodie erinnern an Johann Strauss – lässt Ravel doch die vertrauten Walzerklänge durch impressionistische Harmonien und Rhythmen verschwimmen. Symbolhaft dargestellt in dem beliebtesten Tanz des österreichischen Kaiserreichs ist hier der Niedergang einer ganzen Welt zu hören.
Die subtilen Klangwelten, die Ravel hier entwickelt, werden nun von François-Xavier Roth und Les Siècles auf Instrumenten der französischen Jahrhundertwende zum Leben erweckt. Durch den historisch ausgerichteten Ansatz kommt das glanzvolle Walzer-Kaleidoskop voll zur Geltung. „Die Instrumente aus der Zeit bringen die Farben dieser außergewöhnlichen Orchesterpalette unglaublich gut hervor. Das Makabre reibt sich an dem Extravaganten, das Tragische kommt dem Phantastischen ganz nah“, so Roth.
Französischer Stempel auf russischer Musik
Auch Modest Mussorgskis Klavierzyklus Bilder einer Ausstellung, inspiriert durch eine Ausstellung zum Gedenken an seinen Freund Victor Hartmann, zog Ravels Aufmerksamkeit auf sich. „Nie werde ich den schon so lange zurückliegenden Tag vergessen, an dem Sie und Ihr Mann uns das Werk von Mussorgski offenbart haben“, schrieb er 1922 an die in Paris lebende Sängerin Marie Olénine, die gemeinsam mit ihrem Mann Mussorgski in Frankreich bekannt gemacht hatte. Als der russische Dirigent Sergei Koussevitzky Ravel den Auftrag zur Instrumentierung gab, ließ er sich nicht lange bitten. Mit Hingabe schrieb er noch im selben Jahr den Klavierzyklus für Orchester um – und machte das 50 Jahre alte Werk auf einen Schlag weltberühmt.
„Es ist faszinierend zu sehen, wie sehr Ravel diesen russischen Stil liebt, aber auch, wie er den Bildern seinen eigenen Stempel aufdrückt, mit unvergleichlichen Farben und Charakteren, die durch seine Wahl der Orchestrierung erzeugt werden“, sagt François-Xavier Roth. „Dank der bemerkenswerten wissenschaftlichen Arbeit, die für die Ravel-Ausgabe geleistet wurde, und der Verwendung historischer Instrumente scheint es, als hätten die Bilder noch intensivere Farben und eine noch greifbarere Persönlichkeit entfaltet.“
Les Siècles
François-Xavier Roth, Dirigent
Modest Mussorgsky:
Les Tableaux d’une exposition
(orch. Maurice Ravel)
Maurice Ravel:
La Valse
VÖ: 17.04.2020 bei harmonia mundi